Begeistert zeigten sich Kritikerinnen vom ersten Konzert der Chopin-Gesellschaft, das am 26.1.2025 in Triesen (Liechtenstein) stattfand.
Im „Liechtensteiner Vaterland“ vom 28. Januar 2025 schreibt Miriam Lümbacher:
Bewegende Geschichten und Klänge
Mit ihrem Konzert „Vom Orient zum Okzident“ eröffneten Anna Adamik (Klavier) und Martin Merker (Violoncello) vergangenen Sonntag im Guido-Feger-Saal Triesen die diesjährige Konzertreihe „Begegnungen“ der Chopin Gesellschaft Vorarlberg.
„Man wird schnell wach“, kündigte Martin Merker das erste Stück von Svante Henryson an; und mit dem rasanten, zeitgenössischen „Black Run“ eröffnete er solistisch den Abend. Als berührendes Kontrastprogramm hörte man anschließend Armas Järnefelts „Berceuse“, das der Komponist inspiriert durch seine zweijährige, mit Fieber im Bett liegende Tochter geschrieben haben soll. Dementsprechend interpretierten Adamik und Merker das Stück auch beruhigend und liebevoll wie ein Wiegenlied; jedoch mit einer gewissen Wehmut und Sorge, die sich wohl jedes Elternteil macht, wenn es den Kindern nicht gut geht. Mit einer Sonate von Edvard Grieg folgte ein besonderes, dreißigminütiges Highlight, Leidenschaftlich zeigte sich das Allegro agitato; eine Rastlosigkeit im besten Sinne, ein Aus-dem-Vollen-Schöpfen, gefolgt von einem Gefühl der Klarheit; melodiös und angenehm. Im Andante molto tranquillo gab sich das Duo gefühlvoll, aber äußerst präzise. Vor dem inneren Auge erschein ein sanft fließendes Gewässer. Ein herzhafter Tanz schloss im Allegro molto e marcato die beeindruckenden dreißig Minuten ab.
Das Repertoire des zweiten Teils trug eine Tiefe und auch Schwere in sich; Musik, auf die man sich aufmerksam einlassen muss, und die wissend um den Kontext noch mehr nachwirkt. Martin Merker beeindruckte mit einem besonderen Stück von Baran Beigi. „Tanzend, weinend“ war den arabischen Frauen gewidmet, denen es in ihren Heimatländern verboten war zu tanzen. Das Werk symbolisierte eine gewisse Sinnlichkeit, die aber nicht frei schwingen konnte und ein beengendes Gefühl auslöste. Auch Barbara Hellers „Lalai – Schlaflied zum Wachwerden“ hat eine besondere Geschichte. Ausgehend von einem Widerstandslied, in dem eine Mutter ihr Kind in den Schlaf singt, während draußen die Welt untergeht, sei Hellers Komposition all den persischen Frauen gewidmet, die in Gefängnissen festgehalten wurden. Die Musik klang auf eine tröstende Weise beruhigend und gleichsam tief nachdenklich stimmend, entwickelte sich aber schnell bedrohlich, sodass an Schlafen keinesfalls zu denken wäre. Aber irgendwie schimmerte auch mutmachende Entschlossenheit durch, niemals aufzugeben. Der Schluss gestaltete sich wieder ruhiger, sodass es schien, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Oder?
Mit Fazil Says „Dört Sehir / Vier Städte“ rundete das duo das Konzert ab. Und das Werk hatte es in sich. Während Martin Merker den ersten Satz (Sivas betitelt) mit einem zuversichtlichen Zupfen auf dem Violoncello eröffnete und auf experimentelle Weise die Klangmöglichkeiten seines Instruments auslotete, und der zweite Satz (Hopas) einen volkstümlichen Tanz wiedergab, wurden die Klänge im dritten Satz (Ankara) schnell düster, unheilvoll und unbehaglich: Es handelte sich um ein Revolutionslied aus dem Ersten Weltkrieg. Nervöses Klopfen auf dem Klavier, das Imitieren einer quietschenden Tür auf dem Cello. Schaurig; wie der Soundtrack eines Thrillers oder Kriegsfilms.
Im letzten Satz (Bodrum) wurde es wieder fröhlich, es fanden sich sogar Jazzelemente darin wieder, und doch schien die Gefahr nicht gebannt. Es war nicht ganz klar, ob da nicht etwa der Bösewicht sein Siegestänzchen hinlegte. „Boa“, entwich es anschließend aus den Zuschauerreihen. Adamik und Merker hatten sehr beeindruckt, und doch dürfte so mancher Zuschauer dankbar gewesen sein, als die Gemüter mit der schönen Zugabe „Solveigs Song“ wieder etwas besänftigt wurden und man mit einem positiven Abschluss nach Hause gehen durfte.
Silvia Thurner schreibt am 27.12025 auf kulturzeitschrift.at:
UNTERHALTENDES UND NACHDENKLICHES IN EINEM
Anna Adamik und Martin Merker wurden in Triesen gefeiert.
Zur Eröffnung der neuen Konzertsaison lud die „Chopin Gesellschaft Vorarlberg“ nach Triesen in Liechtenstein. Der Cellist Martin Merker und die Pianistin Anna Adamik interpretierten im Guido-Feger-Saal Werke von Baran Beigi, Barbara Heller, Fazıl Say, Edvard Grieg und anderen mit großer Aussagekraft. Dabei ergänzten sich locker unterhaltsame und gesellschaftskritische Werke hervorragend.
Bis auf den letzten Platz belegt war der Saal beim vielschichtigen Kammerkonzert, das unterdem Motto „Orient und Okzident“ stand.
Die beiden Solowerke für Violoncello „Black Run“ von Svante Henryson und „Tanzend, weinend“ von Baran Beigi steckten den inhaltlichen Rahmen des Konzertes ab. Die unterhaltsame Seite bildete Kompositionen, die sowohl dem Cellisten als auch der Pianistin viel spieltechnische Raffinesse abverlangten. Diesen Werken stellten Anna Adamik und Martin Merker gesellschaftspolitisch inspirierte Kompositionen gegenüber, die eindrücklich zum Tragen kamen.
„Black Run“ des schwedischen Komponisten Svante Henryson gründet auf dem amerikanischen Bluegrass. Virtuos stellte Martin Merker das Solostück in den Raum, indem er die Gegenpole zwischen quirligen Folksongs und innehaltenden Reflexionsflächen exzellent auslotete. Klangsinnlich gestalteten Anna Adamik und Martin Merker im Duo die „Berceuse“ von Armas Järnefeldt.
„Tanzend, weinend“ nennt die aus dem Iran stammende Cellistin und Komponistin Baran Beigi ihr Werk für Solocello. Darin verarbeitet sie musikalisch die Unterdrückung der Frauen im Iran, denen ein Tanzverbot auferlegt ist. Geschickt spielt die Komponistin mit arabischen Maqams. Martin Merker kristallisierte die Tonskalen sensibel heraus und setzte mit einer differenzierten Tongestaltung einen tänzerischen Gegenpol dazu.
Eindringlich wirkte insbesondere das Werk „Lalai – Schlaflied zum Wachwerden“ der deutschen Komponistin Barbara Heller. Während an der Klangoberfläche ein schlichtes Widerstandslied entfaltet wurde, spielte Anna Adamik mit abgedämpften Saiten im Klavier bedrohliche, perkussive Repetitionstöne. In den Variationssätzen kam die politische Aussage des aufrüttelnden Werkes, das „in Erinnerung an 50 iranische Frauen, die unter der Khomeini- Herrschaft ermordet wurden“ gewidmet ist, zur Geltung.
Eine gesellschaftspolitische Aussage hatte auch die Sonate „Dört Sehir / Vier Städte“ für Violoncello und Klavier von Fazil Say. Besonders der dritte Satz, betitelt mit „Ankara“, verströmte eine große innere Spannung. Pulsierende Töne, die im Korpus des Klaviers gespielt wurden, öffneten einen düsteren, sich wenig bewegenden Klangraum. Suchende Gesten im Violoncello und schwebende Sekundintervalle über einem fehlenden Klanggrund unterstrichen die bedrückende Stimmung zusätzlich.
Diesem Abschnitt standen drei Sätze gegenüber, in denen das Leben in türkischen Städten mit plastischen musikalischen Bildern und Farben dargestellt wurde. Besonders in Erinnerung blieben die wunderbar in Szene gesetzte Passage, in der das Cello zu einer Duduk und zu einer Kemençe mutierte. Neben volksmusikalisch inspirierten, rhythmisch vorwärtsdrängenden Passagen in „Sivas“ und „Hopa“ bildete der jazzige Schlussteil, „Bodrum“, ein geistreiches Finale, das auch von Anspielungen an bekannte Songs lebte. Martin Merker und Anna Adamik spielten mit großer Gestaltungsfreude und in einem ausgewogenen Geben und Nehmen. Einziger Wermutstropfen war das nicht optimal gestimmte Klavier.
Anna Adamik und Martin Merker sind ein Ehepaar und musizieren im Duo gut aufeinander abgestimmt. In einigen Passagen forderten sie einander auch gegenseitig heraus. Besonders in Edvard Griegs Sonate für Violoncello und Klavier, op. 36 setzte Anna Adamik am Klavier markante Zeichen. Der oft raumgreifende Klavierpart ließ mitunter dem Violoncello wenig Entfaltungsspielraum. Die lyrische Kantilene im Andante molto tranquillo erklang feinsinnig moduliert, sodass danach die vom Klavier ausgehenden, drängenden Passagen eine mitreißende Wirkung verströmten. Den tänzerischen Duktus des Finalsatzes betonten Anna Adamik und Martin Merker mit spritzig artikulierten Themen. Zuerst bildete das Violoncello einen romantischen Gegenpol dazu aus, bis die musikalischen Linien schließlich zum Schluss hin in einem großen Einverständnis ineinander verflochten wurden.
Martin Merker führte sympathisch und informativ durch das Programm und so stellte sich von Beginn im Saal eine lockere Atmosphäre ein.
https://www.kulturzeitschrift.at/kritiken/musikalische-reisebilder-erzaehlt